Social Media: wie überzeugen wir die EntscheidungsträgerInnen?

Social Media: wie überzeuge ich meinen Chef? - das ist die Frage der aktuellen NPO-Blogparade (Interessante Kommentare und verlinkte Beiträge!). Viele machen sich wohl diese Gedanken: Wie können die EntscheiderInnen überzeugt werden, sich auf einen Social Media Prozess einzulassen? Beim Barcamp Kirche 2.0 im Mai war das eines der informell am heißesten diskutieren Themen.

TastaturIch sehe Social Media stark als Buttom-Up-Bewegung. Die Einzelnen sind wichtig, umso mehr gilt das für die Glaubenskommunikation: Persönliche Erfahrungen, bewegende Geschichten, gelebter Glaube im Alltag, glaub-würdiges Engagement - verbunden mit einem offenen Ohr - ermöglichen es spürbar zu machen, was die Nachfolge Jesu heute heisst. Doch irgendwann kommt dann einmal der Punkt, wo es um Aufmerksamkeit, Ressourcen und die Veränderung von Strukturen geht: Ab da ist dann Social Media als Top-Down-Inhalt gefragt, ab da kommen die EntscheidungsträgerInnen, egal ob in der Pfarre oder auf diözesaner Ebene, ins Spiel.

Meine Erfahrung ist, dass ich dann am besten überzeuge, wenn ich an bestehenden Erfahrungen meiner GesprächspartnerInnen anknüpfe und konkret werde. Nicht abstrakt über virales Marketing sprechen, sondern es mit einer konkreten bekannten Veranstaltung verknüpfen. Nicht abstrakt über die Wichtigkeit der sich verändernden Öffentlichkeit sinnieren, sondern konkrete Zahlen nennen, z.b. wieviele ÖsterreicherInnen auf Facebook zu finden sind. Und dann konkret umsetzbare Vorschläge machen für die nächsten Schritte.

Darüberhinaus habe ich die Erfahrung gemacht, dass es notwendig ist, feldspezifisch zu argumentieren. Dass heisst, dass ich im Kulturbereich, wo ich früher gearbeitet habe, andere Aspekte in den Mittelpunkt rücken würde (z.b. partizipative Kunstformen) als in der Kirche. Und im sozialen Feld würde ich auch anderes betonen.

In der Kirche gilt es theologisch zu argumentieren. Das fängt beim Zuhören ("Hearing to Speech") an, denn "Gott ist selbst Hörende/r, die/der die Menschen in ihren eigenen unverstellten Sprache und zu ihrem befreiten Sein hört" (1) und geht über Christopraxis als Bezeugen und Bekennen (2) bis zur kritischen Prophetie als Gegenprogramm zur postmodernen Beliebigkeit. Jesus kann uns dabei in seinem Kommunikationsverhalten Vorbild sein.

Im Unterschied zu manchen anderen gesellschaftlichen Feldern haben wir ChristInnen sogar das Privileg immer wieder aus diesem reichen - über Jahrtausende gewachsenen - Erfahrungsschatz schöpfen zu können: Es gilt diesen für heute fruchtbar zu machen. Jesus hat Face-to-Face kommunziert, Paulus hat Briefe geschrieben, die Evangelien sind geronnene und schon in Distanz reflektierte Erfahrungen von ChristInnen, Bibeln wurden erst abgeschrieben und dann gedruckt, .... (3) Christliche Medien haben sich immer gewandelt. Aus dieser Perspektive lässt sich dann auch ein Stück gelassener darauf blicken, dass manches bei den EntscheidungsträgerInnen nicht so schnell geht.

(1) Klein, Stefanie, Hören als Ermächtigung zum Sprechen (Hearing to Speech). Zur Entdeckung einer theologischen Kategorie, in: Pastoraltheologische Informationen 17 (1997), 294
(2) vgl. Arens, Edmund, Christopraxis, Grundzüge theologischer Handlungstheorie, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 1992 (Quaestiones disputatae 139)
(3) vgl. Böntert, Stefan, Gottesdienste im Internet. Perspektiven eines Dialogs zwischen Internet und Liturgie, Stuttgart 2005

Foto CC by MacSchlumpf