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In 20 Stunden zum Ökumenischen Kirchentag und wieder zurück

Zwei Busse mit Interessierten aus Pfarren und diözesane MitarbeiterInnen machten sich am Freitag Früh auf zum Ökumenischen Kirchentag nach München.
 
Nach vier Stunden Fahrt im Messegelände angekommen eröffnete sich vor uns ein riesiges Areal an Hallen. Meine Idee, zwischen Veranstaltungen im Stadtzentrum und am Messezentrum hin- und herzuwechseln, stellte sich als wenig praktikabel heraus. Zu weit die Wege, nur 30 Minuten waren für den Wechsel zwischen den einzelnen Veranstaltungen vorgesehen. Ein großer Teil der Hallen war für Vorträge und Diskussionen reserviert. Die größten Veranstaltungen waren mit über 1000 Papphockern bestuhlt. Daneben gab es eine eigene Halle mit einem ökofairen Markt, eine Oase der Ruhe mit Palmen und Sandinseln. Verlage, Verbände und Organisationen präsentierten sich, ja sogar einen abgetrennter Bereich mit Betten für vom ÖKT-Programm erschöpfte TeilnehmerInnen gab es. Für BesucherInnen aus der Diözese Linz schied dieser Bereich jedoch aus, wollten die meisten doch an einem Tag möglichst viel vom ÖKT sehen und mitbekommen. Allerdings war die Idee mit den Betten nicht ganz unangebracht - zwischen der ersten und der letzten Halle lag ein 20 minütigerFußmarsch und der Wechsel zwischen den Hallen ermüdete doch auf Dauer.

Eine unüberschaubare Zahl von Vereinen und Verbänden präsentierte sich über die Hallen verteilt. Neben „klassischen“ kirchlichen Verbänden fielen mir besonders der Stand über Hexenverfolgung, ein Aktionsbündnis gegen Amoklauf oder die Vereinigung katholischer Ärzte auf. Den Katholischen Deutschen Frauenbund, das deutsche Pendant der Katholischen Frauenbewegung, haben wir auch besucht und sind dort herzlich empfangen worden.
Bei dieser Flut an Organisationen, Vereinen und Interessensgemeinschaften wird mir als in Österreich lebende Deutsche mal wieder der Größenunterschied zwischen beiden Ländern klar. Auch das Thema „Ökumene“ bekommt vor diesem Hintergrund eine ganz andere Tragweite. In Deutschland leben etwa 53 Millionen Christen, davon rund 25 Millionen evangelische und ebenso viele römisch-katholische, hinzu kommen noch 1,2 Millionen orthodoxe Christen. Tendenziell ist der Süden Deutschlands katholisch geprägt, der Norden evangelisch.

Bei dem Vortrag von Kardinal Lehmann war die Zuhörerschaft ganz deutlich in pro und contra gespalten. Bei einer Aufzählung von Zielen für die Ökumene wurde Lehmann mit Applaus zwischen den einzelnen Punkten beigepflichtet, die „Gegenseite“ kommentierte Strittiges mit leisem Protest und in Seitengesprächen geäußertem Unmut. Für mich nicht ganz verständlich und auch schade, dass Unterschiede zwischen evangelischen und katholischen ChristInnen nicht als etwas Spezifisches und Individuelles gesehen werden, über das man sich auseinandersetzt, sondern dass diese Unterschiede oftmals tiefe Gräben aufreißen.

Am besten hat mir eine Veranstaltung gefallen, in der es um Frauen ging, die Grenzen überschritten haben. Begonnen wurde mit fünf historischen Grenzängerinnen wie Mary Ward oder Marie Dentière. Anschließend präsentierten sich fünf Theologinnen mit ihren Lebensgeschichten und zeigten auf, wo sie selbst Grenzen überschritten haben oder immer noch dabei sind, diese zu überschreiten.

Um essentielle Probleme der Zukunft ging es bei der Diskussion über Ernährungssouveränität mit Jean Ziegler (siehe Bild). Während ein großer Teil der Weltbevölkerung an Hunger leidet und stirbt, herrscht andererseits ein Überfluss an Nahrungsmitteln. Letztlich könnte mit dem, was wir produzieren, die ganze Welt ernährt werden. Mir bekannte Zusammenhänge haben in der Podiumsdiskussion mit einem Vertreter aus Togo eine andere Schärfe gewonnen. Stammend aus einem Land und einem Kontinent, in dem Hunger ein großes Thema ist, reagierte und plädierte er sichtlich aggressiv für ein Umdenken und für eine Kehrtwende.

Die Abendveranstaltungen waren geprägt von Schildern „Halle überfüllt“ und Wartenden davor. Die Seiteneingänge wurden zwar geöffnet und die Musik oder die Diskussion nach außen übertragen, allerdings tummelten sich davor nur wenige, die der Kälte stand hielten.

Welches Bild bleibt bei mir vom Kirchentag haften? Überall Menschen, Menschen, Menschen. Freiwillige Helferinnen und Helfer, BesucherInnen vom Baby bis zum Pensionisten. Gäste aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland, die bei den meisten Veranstaltungen Headsets mit Übersetzung in englisch erhielten. Und der Slogan „Damit ihr Hoffnung habt“ in der Kombination dazu. Es macht Hoffnung, dass sich so viele Menschen für kirchliche und gesellschaftspolitische Themen interessieren und teilweise von weit her gekommen sind.
 

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Klingt hochinteressant, aber auch sehr anstrengend! Da habe ich wohl einiges verpasst ...

Hi Katrin,

sehr sehr gut fand ich kürzlich beim "European" einen Artikel namens "Ökumene für Dummies" auf http://theeuropean.de/alexander-kissler/3313-oekumene-fuer-dummies

LG

mein Post ist weg. ups, wo ist er hin? hier der Link http://theeuropean.de/alexander-kissler/3313-oekumene-fuer-dummies zu "Ökumene für Dummies" vom European.

Alice Schwarzer schreibt heute, am 1. Juni, wieder über Missbrauch und die Macht des Leugnens im Editorial der EMMA. auf aliceschwarzer.de

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@Veillchen: Ich glaube, du warst einfach nur zu ungeduldig mit dem Post. Ist eh da.

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@ veilchen:
Ökumene wird in diesem Artikel durchweg negativ gefärbt dargestellt. Zuerst als "Tarnbegriff der Ahnunglosigkeit", hinter der sich Pseudo-ChristInnen verstecken. Dann mit Michael Broch, der wohl sein ganz eigenes Bild und Verständnis von Ökumene hat. Nun, für mich liegen in der Ökumene mehr Chancen als dass ich sie nur negativ sehen möchte. Schon allein deswegen, weil zwei so große christliche Kirchen trotz inhaltlicher Differenzen gemeinsam sicher mehr bewegen können.

also,kreuz.net oder kath.net - sind um einiges spannender als die hier zu lesenden freundschaftlich-netten belanglosigkeiten in kirchenfragen und -sachen. Wer finanziert eigentlich dieses hobby ?

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Mich beruhigt angesichts der Inhalte dort, dass die österr. Bischofskonferenz deutliche Worte zu kreuz.net gefunden hat: http://www.medienreferat.at/content/site/aktuelles/article/2860.html - oder auch hier die dt. Bischofskonferenz http://www.katholisch.de/Nachricht.aspx?NId=369

Und hier gibts eh ein Impressum und ein About im Unterschied zu kreuz.net

"gemeinsam mehr bewegen" klingt nach Partei-Slogan,

und nicht nach dem Weg zur Heiligkeit, oder? :)

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"Gemeinsam mehr bewegen" - ein Parteislogan? Der Werbespruch der OMV ist "mehr bewegen", sicherlich könnte er auch von einer Partei sein. Deiner Meinung nach wäre als Spruch für die Ökumene wohl geeigneter "Gemeinsam gen Himmel" oder so etwas in der Art ;-) Allerdings ist ja auch immer die Frage, WAS man/frau bewegen will...Die OMV sicher etwas anderes als eine Partei und als die Kirche sowieso. Oder was soll die Kirche deiner Meinung nach bewegen?

Gemeinsam heilig werden, ist mein Vorschlag.

Hör auf IHN und du weißt, wo dein optimaler Platz ist.

lg Katharina

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