Leben

Das Geschenk des Alltags

Den Alltag haben bereits viele für sich als spirituelle Quelle und Übungsfeld entdeckt. Auch mich fasziniert die Achtsamkeit auf das Alltägliche. Aber was heißt das? Für mich ist das nicht der Anspruch, das Banale zu perfektionieren, um das Alltägliche erst wieder zu etwas Besonderem zu machen. Achtsam zu sein auf den Alltag heißt für mich, die täglich wiederkehrenden Augenblicke, Bewegungen, Handlungen, Wortwechsel usw. nicht gering zu bewerten. Warum? Weil sich das Leben zu einem Großteil im ganz normalen Tagesablauf abspielt. Und wenn ich glaube, dass ich wert bin, zu leben, dann verstehe ich mein Dasein als Geschenk. Und über Geschenke freue ich mich, ich betrachte sie, bewundere sie vielleicht, oder ich ärgere mich auch darüber.

Jeden Tag stehe ich auf. Jeden Tag gehe ich schlafen. Ich esse, trinke, rede, schweige. Gewisse Dinge wiederholen sich an jedem normalen Tag. Und trotzdem sind sie jeden Tag ein bisschen anders oder ganz anders. Darin liegt ein gewisser Reiz, der die Tage auf eine ganz besondere Weise erfüllt und bis zu einem gewissen Grad auch erfüllend sein lässt. Noch reizvoller wird diese achtsame Betrachtung des Alltags, wenn ich den Blick auch immer wieder von mir selbst wegwende, um die Menschen in meiner näheren Umgebung bewusst wahrzunehmen. Manche Menschen sehe ich fast jeden Tag. Meine Frau, meinen Mann, meine Arbeitkolleginnen und –kollegen, vielleicht die Postbotin oder den Verkäufer im Supermarkt. Ich stelle mir Fragen wie „Woran denkt dieser Mensch gerade?“ oder „Was wird wohl der Grund für ihre gute Laune an diesem Tag sein?“.

Das Leben lernt von mir!

Wenn PhilosophInnen, großteils erwachsen, Erfahrungen austauschen, dann kann es schon einmal vorkommen, dass der subsumierende Satz fällt: „Wir lernen vom Leben“.

Neulich, bei einem adventlichen Morgenlob mit Jugendlichen, fiel beim anschließenden Frühstück der Satz: „Das Leben lernt von mir!“ Dieser Gedanke hat mich nicht mehr losgelassen. In diesen Worten eines 17-jährigen steckt sehr viel. Ich finde ihn höchst genial. Diese Einstellung zeugt von Vitalität, Kreativität, Selbstbewusstsein und Intelligenz. Denn wer daran glaubt, der weiß, dass er/sie einzigartig ist. Das tut gut. Wer vom Leben lernt, ist weise. Wer aber sagt, „Das Leben lernt von mir“, der/die hat viel mehr begriffen. Vor allem, dass er/sie unvertretbar, gewollt und geliebt dem Leben eine Richtung gibt. Dieses Selbstverständnis vereinfacht und ermöglicht vieles. Ich bin diesem jungen Mann sehr dankbar, dass er mich an meine christliche Grundberufung erinnert hat: Auch (!) als Einzelner gebe ich dem Leben und der Welt eine Richtung. Das ist in erster Linie eine Zusage, aber dann auch eine Aufgabe: Gib dem / deinem Leben eine Richtung! Lebe! Jetzt!

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